Wenn Katzen plötzlich obdachlos werden

 

So bin ich mit dem Tierschutz bzw. Katzenschutz in Verbindung gekommen. Wenn ich mit diesem Schicksal nicht konfrontiert geworden wäre, wäre ich wohl niemals diesen Weg weiter gegangen.

Eines Tages kam ich nachmittags von der Arbeit nach Hause, stellte mein Auto ab und wollte eigentlich nur noch schnell nach Hause.

Doch irgendwie fielen mir an diesem Tag ein paar Kinder auf, die ständig um ein bestimmtes Auto herumliefen, darunter schauten, wieder rumliefen und runterschauten. Also das kam mir doch etwas sehr merkwürdig vor.

Also ging ich hin und fragte was los ist. Die Antwort der Kinder war: "Es sind 2 Katzen vom Balkon gefallen und die suchen wir jetzt"! Ich bekam einen Riesenschreck. Als ich dann auch noch erfuhr, daß es reine Wohnungskatzen waren, haben sich meine Nackenhaare gesträubt bis zum geht nicht mehr.


Schließlich habe ich den Kindern angeboten, ihnen zu helfen, diese Katzen wieder einzufangen. Eine von den Katzen hörte ich unter einem Auto. Ich sah sie fast gar nicht, als ich mich herunterbeugte; aber sie schrie, wie ein kleines Kind. Meine kleinen Härchen an den Armen, Beinen und im Nacken gingen sofort wieder hoch.


Während ich versuchte, diese Katze etwas zu beruhigen, hörte ich die Kinder miteinander tuscheln. Plötzlich hörte ich dann, als eines der Kinder sagte: "Was machst du denn mit der Katze, wenn diese Frau sie wirklich kriegt? Dein Vater schmeisst sie doch wieder vom Balkon runter"! Ich traute meinen Ohren nicht, als ich das hörte. Aber ich tat so, als wenn ich nichts gehört hätte. Aber innerlich hab ich mir geschworen: "wenn ich diese Zwerge wirklich fangen kann, zurück gehen sie auf Garantie nicht mehr"!!!!

Mit dem Versprechen, mich um die Katzen zu kümmern, habe ich mich dann erst einmal entfernt. Es war eh im Moment keine Chance, diese total verängstigten Tiere unter den Autos hervorzulocken. Am späten Abend bin ich dann wieder runter gegangen und habe ihnen erstmal eine große Portion Futter präsentiert. Sie kamen auch alle beide - aber nur , wenn ich weiter entfernt gewartet habe. Sobald ich auch nur einen winzigen Schritt auf sie zumachte, waren sie verschwunden.


Eine von den beiden war eine noch relativ kleine und junge Katze. Sie war es auch, die am meisten geschrieen hat. Mein Gott, taten mir diesen beiden kleinen Zwerge leid. Und vor allem: Sie erinnerte mich ganz heftig an meinen Cäsar. Was hätte ich dafür gegeben, wenn ich sie an diesem Abend beide hätte einfangen können.

Nach dem Fressen verschwanden sie beide erst einmal im Gebüsch. Da kam ich also auch nicht hinterher. Jetzt konnte wirklich nur noch Geduld, Geduld und nochmals Geduld helfen. Jeden Abend bin ich also runter, immer eine große Portion Futter dabei, und sie kamen auch immer. Nach 2 - 3 Tagen hatte ich schon fast das Gefühl, als wenn sie auf mich warteten. Aber leider ließen sie sich immer noch nicht anfassen.


Wenn ich nachmittags die Kinder traf, bekam ich nur zu hören, daß sie die Katzen auch nicht bekommen hätten. Also bat ich die Kinder, die Katzen ganz und gar in Ruhe zu lassen. Ich würde alleine versuchen, die Katzen zu fangen. Mit ihrem Geschrei und Herumgejage haben sie die beiden sowieso verängstigten Tiere noch mehr verängstigt.

Von Tag zu Tag wurden sie zwar etwas zutraulicher, und die größere konnte ich sogar schon mal anfassen beim Fressen. Aber zupacken und sie einfangen, dafür war sie noch zu schnell wieder weg. Die Kleine war gar nicht anzufassen.

Etwa eine  Woche später war ich dann wie üblich zum Füttern unten - die große fraß sich satt, aber die kleine wollte nicht. Ich habe ihr zugeredet wie einem lahmen Gaul, aber es war nichts zu wollen. Nach über 2 Stunden mochte icht nicht mehr. Ich ließ den Napf stehen, drehte mich um und ging langsam zum Haus zurück.

Als die Kleine das sah, huschte sie unter den Autos immer hinter mir her - bis fast vor die Haustür. Ich habe innerlich immer wieder gesagt : "Komm Kleines noch ein Stück, noch ein Stück". Zum Glück kam ein Nachbar von mir dazu, der mir seine Hilfe anbot.

Mein Nachbar und ich haben dann beraten, wie wir diese kleine Maus ins Treppenhaus bekommen. Schließlich kam ich auf die Idee, die Käserollies ins Treppenhaus zu werfen. Immer ein kleines Stück weiter. Und dieser Trick hat tatsächlich funktioniert. Man ich hätte heulen können vor Freude, als sie endlich im Treppenhaus war. Mein Nachbar hatte ganz schnell die Tür zugemacht, so daß sie nicht mehr rauslaufen konnte.

Und jetzt konnte ich sie anfassen und sogar auf den Arm nehmen. Sie zitterte, knurrte und fauchte mich an. Aber es war mir egal - und wenn sie mir alles zerkratzt hätte. Ich hätte sie nicht mehr losgelassen.

Mein Nachbar raste dann los, um meinen Katzenkorb aus dem Auto zu holen. In den Korb ging sie auch fast von alleine. Es waren mittlerweile über 3 1/2 Stunden vergangen und es war schon spät abends, so daß ich sie auch nicht mehr ins Tierheim bringen konnte (wollte ich auch ganz ehrlich gesagt nicht!).

Also nahm ich sie mit zu mir nach Hause, brachte sie im Schlafzimmer unter. Meine Katzen waren natürlich wieder einmal begeistert, daß dieser Raum mal wieder zugemacht wurde. Aber egal. Jetzt war die Kleine wichtiger.

Was mir aber sehr zu schaffen machte, war, daß die andere große Katze nun da draußen ganz alleine war. Diesen Gedanken hab ich den ganzen Abend nicht aus dem Kopf gekriegt.

Doch erst mußte ich mich um diese kleine Maus kümmern. Ich gab ihr noch etwas zu fressen und zu trinken. Und es ging. Sie fraß und fraß und fraß. Klar sie hatte ja seit Tagen nicht mehr richtig gefressen.


Schließlich habe ich mich dann ins Bett gelegt - irgendwann mußte ich ja auch mal schlafen, denn am nächsten Tag hieß es für mich: ARBEITEN!!! Und das mit nur etwas weniger als 4 Stunden Schlaf. Aber egal. Als ich unter der Decke lag, spürte ich, daß dieses kleine Mäuschen sich ganz ganz ganz vorsichtig an mich herantastete. "Bloß nicht bewegen" dachte ich nur, sonst hängt sie mir vor lauter Angst noch unter der Decke. Aber es ging. Seitdem sie wieder in einem Raum war, war sie nicht mehr so furchtbar ängstlich - dachte ich jedenfalls.


Ich bin dann irgendwann auch eingeduselt, als ich plötzlich spürte, daß sieh neben mir auf dem Kopfkissen etwas bewegte. Ganz vorsichtig öffnete ich meine Augen und traute meinen Augen nicht. Da lag diese kleine süße Maus neben mir auf dem Kopfkissen und schnurrte und schnurrte und schnurrte. Mir sind in diesem Moment wirklich ein paar Tränen aus den Augen gelaufen. Ich war so glücklich, daß ich grade sie schon von der Straße weg hatte.

Nun die nächsten Tage vergingen für mich im Wechsel zwischen Wohn- und Schlafzimmer. Meine beiden waren natürlich sehr verärgert und etwas verstört, weil diese kleine Maus im Schlafzimmer auch sehr laut und ausdauernd ihren Unmut darüber kundtat, daß sie nicht mit in der gesamten Wohnung leben durfte. Sie saß vor der Schlafzimmertür und jaulte und jaulte und jaulte.

Ich war mir vom Gefühl her schon fast 100%ig sicher, daß ich diese kleine Maus nicht hergeben würde. Dann ergab es sich aber, daß die Freundin einer Arbeitskollegin sich bereit erklärt hat, alle beide zu nehmen. Somit war für mich auch klar, daß ich mich von dieser süßen Maus wieder trennen mußte.


Aber nichts destotrotz hab ich schon mal versucht, alle drei zusammen zu lassen - zwar erst einmal mit gesicherter Schlafzimmertür - dort hatte ich einen Wäscheständer so davor gestellt, daß - glaubte ich jedenfalls - keine der Katzen ohne Probleme darüber klettern kann. Die Kleine hat mich aber eines Besseren belehrt. Sie turnte einfach drüber und zack war sie im Wohnzimmer. Naja, und Bonny und Cleo waren natürlich überhaupt nicht davon begeistert.


So wie Cleo geschrieen hat, so hab ich sie noch niemals schreien gehört. Und die Kleine hats natürlich sofort verstanden und hat sich wieder ins Schlafzimmer verkrümmelt.

Sie kam auch nur noch bis an die Tür und guckte, aber rüber - nee nee so viel Mut hatte sie wohl doch nicht mehr. Als Bonny dann vor lauter Übermut durch die Wohnung raste, hat sich dieses kleine Mäusken so erschreckt, daß sie hinter die Heizung geflüchtet ist. Dabei ist da kaum Platz. Ich sah also wirklich nur noch die Hinterbeine der Katze - der Rest stand hochkant hinter der Heizung. Ich war schon drauf und ran, den Notdienst zu rufen oder die Heizung abzubauen. Aber gott sei dank - nach einer Zeit kam sie selber wieder hervor. Aber so viel Angst, das hätte ich nicht mehr gedacht, daß das noch so schlimm ist.

Natürlich bin ich noch jeden Abend zum Füttern runter gegangen. Und eigenartigerweise wurde die größere Katze zutraulicher als vorher. Ich konnte sie jetzt sogar schon anfassen und streicheln, wenn sie am fressen war.

Kurzerhand hab ich dann versucht, sie auf den Arm zu nehmen, aber das ging nicht. Also entschloß ich mich, eine Bekannte anzurufen, die viel mit Katzen einfangen zu tun hat. Sie kam schließlich mit einer Falle. Aber da ging die Große nicht rein. Sie hatte Hunger ohne Ende, aber in diese Kiste - nein danke!!!


Es blieb also nur der Weg über "auf den Arm nehmen". Ich hab also gestreichelt und gestreichelt und gestreichelt. Dann hatte ich ganz plötzlich das Gefühl "jetzt ist es soweit - jetzt kann ich sie packen". Ich griff zu, bekam sie richtig zu fassen, und meine Bekannte stand sofort mit einem Katzenkorb neben mir, so daß wir sie dort auch gleich reinsetzen konnten.


Wenn ich das jetzt so lese, dann kann man die Dramatik der Situation gar nicht nach empfinden. Aber es war so furchtbar, ich wollte ihr doch nur helfen, aber diese Katze hatte einfach nur Angst. Was es an Geduld gekostet hat, bis wir sie hatten - das kann man gar nicht richtig beschreiben.

Aber jetzt war alles gut. Meine Bekannte nahm die große Maus gleich mit ins Tierheim, damit sie dort gleich kastriert wird. Und am nächsten Tag konnte ich sie bereits wieder abholen und mit der kleinen Maus zusammen in ihr neues Zuhause bringen.


Leider wollte die blöde Tussi im Tierheim mir doch noch Schwierigkeiten machen. Normalerweise bleiben weibliche Katzen mindestens 3 Tage im Tierheim, um dann wieder an ihrem Platz ausgesetzt zu werden. Selbst als ich ihr sagte, daß diese Katze und die andere Maus von mir gleich in das neue Zuhause gebracht werden, war sie so zickig und wollte mir die Katze nicht rausgeben. Dabei war alles geplant. Ich war stinkesauer. Aber endlich sah sie es ein und ich konnte mitsamt der Katze losfahren.

Die andere kleine Maus hatte ich schon im Auto und so sind wir gleich auf die Autobahn Richtung Bremen - denn dort wartete bereits das neue Frauchen - voller Spannung und Vorfreude. Während der Fahrt schlief die Katze aus dem Tierheim noch - aber die kleine Maus aus meiner Wohnung - manno hat die einen Alarm gemacht. So viel geweint und gejault - mir hat es fast das Herz gebrochen. Ich konnte sie ja nicht einmal streicheln, weil der Korb hinten auf der Rückbank stand. Somit blieb mir nur übrig, als beruhigende Worte zu sprechen. Aber geklappt hat es nicht.


Je näher ich an den Treffpunkt herankam, umso trauriger wurde ich, denn jetzt hieß es für mich, Abschied von den beiden zu nehmen. Aber noch war etwas Zeit. Schließlich kam das Schild "Raststätte 5 km". Jetzt wurde es also Ernst. Ich sollte nun endlich Sandra persönlich kennenlernen. Ich fuhr also auf den Parkplatz und sah schon von weitem ein einsames Auto da stehen. Ich wußte sofort, daß ist Sandras Auto. Sie sah mich und stieg gleich aus ihrem Auto aus. Wir sahen uns an und wußten beide sofort, daß sich hier wirklich zwei überzeugte Katzenfreunde getroffen haben.

Am liebsten hätte sie ja auch gleich erstmal die beiden Zwerge angeguckt, aber dann entschied sie, daß es besser wäre, direkt zu ihr nach Hause zu fahren. Wir also wieder in die Autos und weiter ging es Richtung Bremen. Nach einer knappen halben Stunde war es dann geschafft.


Jeder von uns schnappte sich einen Katzenkorb und rein gings in Sandras Wohnung. Dort machten wir dann beide Türen auf. Selbst die größere Katze war mittlerweile aufgewacht aus der Narkose. Aber das hättet ihr sehen müssen: die Türen waren auf und beide wie auf Kommando raus aus dem Korb und ab hinters Sofa. Sandra und ich haben uns ganz ruhig hingesetzt, was getrunken und erzählt. Natürlich hat Sandra erstmal alles erfahren, was ich von den beiden Zwergen wußte.

Nach einer längeren Zeit sahen wir dann, daß beide anfingen, sich in der Wohnung umzusehen - aber unter aller Vorsicht - jede Deckung wurde ausgenutzt. Und wehe, es kam ein lauteres Geräusch - schon waren beide wieder verschwunden.

Ich war nun schon fast 3 Stunden hier und plötzlich spürte ich, daß es für mich Zeit wurde zu gehen. Mir saßen die Tränen schon im Hals. Ich sagte dann zu Sandra: "Ich glaub ich geh jetzt besser, sonst hast du ein heulendes Elend hier sitzen"! Sie sah mich an und meinte dann, daß ich so oft ich will anrufen kann. Und wenn ich das Bedürfnis habe, die beiden zu sehen, darf ich auch jederzeit zu Besuch kommen. Jetzt war der Punkt erreicht - die Tränen fingen an zu fließen.


Ich habe mich nur noch schnell von Sandra verabschiedet und bin raus ins Auto. Dort saß ich erstmal geschlagene 15 Minuten und habe geweint. Auch auf dem Weg zur Autobahn liefen die Tränen immer noch - ich glaub, wenn mich einer so gesehen hätte, der hätte bestimmt gedacht, daß ich ne ernsthafte Ehekrise oder sonstwas an der Backe hatte. Aber egal.

Als ich nach gut 1 1/2 Stunden wieder zuhause war, habe ich auch gleich bei Sandra angerufen, um ihr zu sagen, daß ich gut wieder angekommen bin. Sie erzählte, daß die beiden sich natürlich immer noch verstecken. Aber das war sicherlich normal.


Natürlich habe ich in der folgenden Zeit sehr oft bei Sandra angerufen, um zu hören, wie es den beiden geht. Leider hatte sich noch nicht viel geändert. Sie zeigten beide immer noch ganz ganz viel Angst und Schmusen oder so was - nee nee bloß nicht zu nahe kommen - war ihre Devise.

Sandra hat auch wunderschöne Namen für die ihre beiden Damen gefunden - die kleine schwarz-weiße (mein Schlafzimmerkind) heißt jetzt Filou und die bunte Maus heißt Isis.

Im Laufe der Monate mußten sie logischerweise auch mal zum Tierarzt. Dort wurde dann festgestellt, daß Isis eine Rückenverletzung hat und auch die Niere bzw. Leber war nicht ganz in Ordnung. Es hat schon eine ganze Weile gedauert und etliche Märker gekostet, bis die Katzen wieder als gesund bezeichnet werden konnten. Dafür möchte ich Sandra heute noch meine absolute Hochachung aussprechen, daß sie die Tiere aufgenommen hat, ohne zu wissen, ob sie ganz gesund sind oder ob sie gar einen bleibenden Schaden zurückbehalten würden.


Mittlerweile sind es jetzt ein paar Jahre, daß die beiden Damen jetzt in Bremen leben, und erst vor gar nicht langer Zeit fing es an, daß sie beide etwas zutraulicher wurden - auch Fremden gegenüber.

Aber ich denke, etwas weniger ist für diese beiden vielleicht genau das richtige, obwohl es mir das eine Mal, als ich sie besuchte, doch etwas weh getan hat, daß sie beide auch vor mir davon gelaufen sind. Doch nach kurzer Zeit war dieses Gefühl für mich wieder okay, denn sie haben jetzt ihre Heimat gefunden - bei einer wirklichen tollen Katzenfrau.

Und ich ??? Ich bin mit einem Gefühl der Zufriedenheit wieder Richtung Heimat gefahren - die nächsten Kummerkinder sind bestimmt nich mehr weit entfernt :-)

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